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Der Bund Naturschutz übt harsche Kritik am Landratsamt nach der Zulassung des vorzeitigen Baubeginns für die Erweiterung der Hähnchenmast in Eschelbach und wirft Landrat Martin Wolf (CSU) sogar ein mögliches rechtswidriges Verhalten vor

Hintergrund: Mit Genehmigung der Hähnchenmast kann gerechnet werden

(ty/zel) „Bestürzt und enttäuscht“ reagiert die Wolnzach-Rohrbacher Ortsgruppe des Bund Naturschutz (BN) auf die Zulassung des vorzeitigen Baubeginns für die umstrittene Hähnchenmast-Anlage im Wolnzacher Ortsteil Eschelbach. Mit dem Landratsamt und dessen Chef, Martin Wolf (CSU), haben die Naturschützer ein Hühnchen zu rupfen. Die Kreisbehörde gebe in Zusammenhang mit diesem Vorhaben „seit Monaten keine gute Figur ab“, kritisiert der BN in einer aktuellen Pressemitteilung. Das Landratsamt „scheint sich wesentlich mehr für die Interessen von Unternehmern als von Bürgern und Umweltschutz zu interessieren“, wird moniert. Die Naturschützer erheben zugleich schwere Vorwürfe: Die verantwortliche Abteilungsleiterin bewege sich „juristisch auf sehr dünnem Eis“. Und Landrat Wolf wird sogar ein mögliches rechtswidriges Verhalten vorgeworfen.

 

Der BN macht seine Verärgerung an mehreren Punkten fest. So seien im Februar die zwei Ordner füllenden Unterlagen nur in den Behörden ausgelegt worden, obwohl die Einsichtnahme laut Gesetz auch online ermöglicht werden sollte, beklagt Ulrich Werner, der Anwalt der BN-Ortsgruppe. „Die als Reaktion auf Einwendungen teils massiv nachgebesserten Gutachten sowie nachgereichte Dokumente wurden nur aktiv nachfragenden Einwendern auf Antrag zugänglich gemacht“, moniert der BN und kommt für sich zu dem Schluss: „Damit war die Öffentlichkeitsbeteiligung unvollständig und rechtswidrig.“ 

Micha Lohr, der Vorsitzende der BN-Ortsgruppe kritisiert, ferner, dass die öffentliche Erörterung der Einwendungen im Juni „arbeitnehmer-unfreundlich auf zwei Werktags-Vormittage gelegt“ worden sei. Und weiter: „Auf dem Podium thronten, mit Mikros und Getränken versorgt, neben Moderation und Behördenvertretern, auch die Herren Höckmeier jun. und sen., obwohl nur einer von beiden Antragsteller ist. Für die Einwender und deren Anwalt gab es erst auf massive Intervention hin einen Tisch unterhalb des Podiums; ein Mikrofon mussten sich alle Einwender teilen.“

 

Das Landratsamt hatte, so erinnert der BN, im Vorfeld den umfangreichen Antrag auf eine Erweiterung der Eschelbacher Hähnchenmast auf rund 145 000 Tiere, an verschiedene Behörden – wie Gesundheitsamt, Naturschutzbehörde und Feuerwehr – weitergeleitet sowie diese um Stellungnahmen gebeten. „Ganz offensichtlich sind jedoch viele dieser Einrichtungen schon personell nicht in der Lage, die Hunderte Seiten umfassenden Dokumente gründlich durchzusehen“, so der BN. Das sehe man daran, „dass viele von ihnen keine Einwände äußerten oder teils erst durch die Einwände von Bürgern, die ihnen später vorgelegt wurden, auf Probleme aufmerksam wurden und dann reagierten.“ 

Doch der BN geht noch weiter und wirft dem Pfaffenhofener Kreischef im Grunde rechtswidriges Verhalten vor. Wörtlich heißt dazu: „Die Zusage von Landrat Wolf, alle Fakten objektiv zu prüfen und sich strikt an Gesetze und Vorschriften zu halten, wurde leider oft nicht eingehalten.“

Dazu führt die BN-Ortsgruppe folgendes Beispiel an: Landwirte dürfen, anders als „normale“ Bürger oder Gewerbe, auch außerhalb von Ortschaften bauen. Diese Bevorzugung bezeichnet man als Privilegierung der Landwirtschaft. Sie ist aber an Bedingungen geknüpft. So sehe der entsprechende Paragraf als Voraussetzung für Tierhaltungsbetriebe vor, dass das Futter überwiegend auf eigenen Flächen erzeugt werden könne. „Diese Formulierung wurde von diversen Gerichten so interpretiert, dass mehr als 50 Prozent der benötigten Futtermenge tatsächlich angebaut werden und sich die Flächen im Besitz des Landwirts befinden müssen“, betont er BN und schimpft: „Dass diese beiden Bedingungen im vorliegenden Fall nicht erfüllt werden, stört das Landratsamt jedoch nicht.“ 

Gerichte hätten zwar – so wird weiter erklärt – auch schon vereinzelt Pachtflächen statt Eigentum für den Futterflächennachweis akzeptiert, „doch wurde verlangt, dass die Restlaufzeit der Pachtverträge mindestens 18 Jahre beträgt, um der zu erwartenden Nutzungsdauer der neuen Ställe Rechnung zu tragen“. Das Pfaffenhofener Landratsamt jedoch „will nicht einmal wissen, wie lange die Restlaufzeiten sind“, so ein weiterer Vorwurf. Und: Auch der Anwalt des Bund Naturschutz „erhielt die Information nicht“.

 

Der BN zitiert in diesem Zusammenhang einen Mitarbeiter des Landratsamts, der erklärt haben soll: „Darüber hinausgehende Unterlagen halten wir nicht für erforderlich.“ Es genüge – so soll mitgeteilt worden sein – zu wissen, dass Pachtverträge mit Laufzeiten von 9 bis 20 Jahren vorlägen. „Wie viele dieser Jahre noch übrig sind, spielt offenbar für die Behörde keine Rolle“, moniert der BN. Das sei „ein eindeutiger Widerspruch zur erwähnten Rechtsprechung“. Und: „Wenn die Voraussetzungen für die Privilegierung nicht gegeben sind, ist das gesamte Vorhaben nicht genehmigungsfähig.“ 

Aktuell befindet sich nach Meinung der BN-Ortsgruppe die Juristin und Leiterin der Abteilung für Immissionsschutz am Landratsamt, Alexandra Schönauer, „juristisch erneut auf sehr dünnem Eis“. Sie komme dem Antragsteller sehr weit entgegen, indem sie einen vorzeitigen Baubeginn erlaube, findet der BN. Schönauer hatte erklärt: „Der Antragsteller hat einen Rechtsanspruch auf die Zulassung des vorzeitigen Beginns.“ Doch nach Ansicht des BN trifft das nicht zu. Es fehle nämlich eine wichtige Voraussetzung dafür.

Gemäß Paragraf 8a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) ist eine Bedingung, dass „mit einer Entscheidung zugunsten des Antragstellers gerechnet werden kann“. Das kann aber laut BN nicht beurteilt werden. „Erstens betont ihr Vorgesetzter, Landrat Martin Wolf, das Verfahren über die Erweiterung der Hähnchenmast sei noch nicht abgeschlossen. Und zweitens stehen noch wichtige Unterlagen wie das überarbeitete Bioaerosol-Gutachten aus.“ 

Somit ist das Pfaffenhofener Landratsamt nach Einschätzung des Bund Naturschutz „dabei, nicht nur die Stellungnahmen der Gemeinde Wolnzach, sondern auch die knapp 3000 schriftlichen Einwendungen von besorgten Bürgern und Verbänden, die Argumente von BN-Anwalt Werner und zahlreiche einschlägige Gerichtsurteile in den Wind zu schlagen und trotz ihrer Schäden für Umwelt, Klima und Menschen eine riesige Tierfabrik in unserer Heimat zu genehmigen“. Der BN hatte bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass mit der geplanten Erweiterung auf rund 145 000 Tiere eine der größten Anlage dieser Art in Bayern entstehen würde.

Bisherige Beiträge zum Thema:

Eschelbach: Mit Genehmigung der Hähnchenmast kann gerechnet werden

"Ein fataler Irrweg"

Brief aus Brüssel

Tausende Einwendungen gegen 145 000 Masthähnchen

"Ausbeutung von Tieren, Mensch und Umwelt" 

"Das wäre die größte Anlage in Bayern"

Widerstand gegen Hähnchenmast-Erweiterung

Hähnchenmast für 145 000 Tiere in Eschelbach?

Geflügelmast für 145 000 Tiere geplant 


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